Der satz: arbeit macht frei,
(a) ist politisch vergiftet - mit einem doppelten effekt. Der eine effekt ist, dass mit dem verweis auf die historia
(b)
der satz problemlos entsorgt wird. Der zweite effekt ist, dass mit dem
verweis auf die historia versucht werden kann, das aufklärerische
moment des satzes zu unterdrücken, mit dem ziel, die realität der
gesellschaft so zu belassen, dass der mächtige wie bisher die
arbeitskraft des ohnmächtigen zu lasten des schwachen und zum eigenen
nutzen ausbeuten kann
(c).
Über den zynismus der NS-schergen sollte das
notwendige bereits gesagt sein. Die tötung(=vernichtung) von menschen
durch arbeitszwang ist kein argument, das im diskurs über den begriff:
arbeit, in betracht gezogen werden kann. In dieser perspektive aber ist
es notwendig, den faktor: zynismus, nicht aus den blick zu verlieren,
weil es immer wieder individuen geben wird, die, das ich sein wollend,
immer wieder versuchen werden, die arbeitskraft des genossen
auszubeuten, unter einschluss der möglichkeit der vernichtung des
arbeitenden menschen.
Den zweiten effekt des missbrauchten zitats zu
reflektieren ist verwickelter, weil mit den dokumenten der historia
ausweisbar ist, dass die ausbeutung des menschen durch den menschen ein
faktum ist. Die sklaverei war in alter zeit das vertraute phänomen
unmittelbarer ausbeutung, in der moderne ist es der arbeitsvertrag,
der, eingebettet im horizont des rechtsstaats, gebraucht wird die
arbeit des am markt schächeren auszubeuten
(d).
Das, was im fortgang der historia verändert wurde, das sind die formen
der ausbeutung der arbeitskraft des einen durch einen anderen. Nur
scheinbar hat die moderne einen fortschritt gebracht, allein die
phänomene der ausbeutung sind subtiler geworden. Es sind die cleveren
im markt, die, gelistet in den übersichten von finanzzeitschriften, den
ertrag der arbeit anderer zum eigenen nutzen mit gewalt mittelbar und
auch unmittelbar abgreifen.
Im prozess der geschichte, manifest geworden in der
europäischen aufklärung, ist die idee entstanden, dass der freie mensch
mit seiner arbeit den wohlstand aller in der gemeinschaft sichert
(e).
Diese leistung ist fundiert in der idee: autonomie des ich. Das
individuum als ich ist autonom, sich zu entscheiden für das eine gegen
das andere oder das andere gegen das eine, mit seiner entscheidung sich
absolut an seine entscheidung bindend. In dieser autonomie des ich ist
verortet, dass das individuum als ich im sinn der bürgerlichen
freiheiten frei sein muss, wenn es seine existenz realisiert
(f),
und das, was die realisierung seiner existenz ist, das definiere Ich
als die arbeit, die jedes individuum als ich im vollzug seiner existenz
leistet. Das ist die arbeit, die den menschen frei macht, die arbeit,
die dem individuum als ich und seinem genossen die mittel schafft, mit
denen der genosse und das individuum als ich ihre existenz gestalten,
jeder für sich in der gemeinsam geteilten welt, gebunden in ihren
bürgerlichen freiheiten, die sie sich wechselseitig zugestehen. Mit
ihrer arbeit, eingebunden in ihrer lebenstätigkeit, sichern das
individuum als ich und sein genosse ihre dinge der welt, die notwendig
sind, wenn sie im leben behaupten wollen, sich selbst als mitglieder
ihrer gesellschaft und/oder als bürger ihres staates verstehend
(g).
Die realität in den gesellschaften sieht anders aus.
Der traditionale arbeitsbegriff ist auf die ausbeutung der arbeitskraft
des einen durch den je anderen ausgelegt. War es in alter zeit die
sklaverei gewesen, so war es im mittelalter die ständische
gesellschaft, und in der moderne ist es der markt. Im markt ist die
macht das momentum, mit dem einerseits die ungleichheit der menschen
behauptet wurde und behauptet wird, andererseits ist es die reale
macht, die die legalisierung der aneignung der arbeitsleistung des
ohnmächtigen durch den mächtigen faktisch verstetigt. Die freiheit der
wenigen, die sich alles leisten zu können - scheinbar, ist in der
unfreiheit der vielen gespiegelt, denen nur die reproduktion der
arbeitsleistung zugestanden wird
(h).
Im spektrum dieser möglichkeiten ist das lemma: arbeit macht frei, eine
politische forderung, deren einlösung dem arbeitenden menschen,
ausweislich der dokumente der historia, durch die machthabenden
verweigert wird.
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(a)
in varianten ist das zitat weit
verbreitet, so heisst es im "Zoozmann": Arbeit macht die Völker
frei"(Heinrich Seidel, Hymne der Arbeit)(01).
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(01) Zoozmann,Richard: Zitatenschatz der Weltliteratur. 1960 (ausgabe: Bertelsmann Lesering).
(a)<==//
(b)
die NS-schergen hatten den spruch über der Toreinfahrt zum KZ-Auschwitz angebracht(01).
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(01) darüber informiert Wikipedia mit dem eintrag: arbeit macht frei, download: 01.11.2023.
(b)<==//
(c)
die sklaverei ist das schiboleth der
gesamten menschheitsgeschichte und die moderne steht keineswegs im
schatten der antike. Die differenz zwischen der neuen und der alten
sklaverei ist verortet in der beobachtung, dass in der moderne die
formen der ausbeutung imfamer sind als es jemals die nackte gewalt als
signum der historischen sklaverei gewesen war.
(c)<==//
(d)
man sagt, die alte sklaverei sei
abgeschafft, de facto aber wirkt die ausbeutung des menschen durch den
menschen in der moderne unmittelbar weiter fort, allein die formen der
ausbeutung sind subtiler geworden und werden als recht getarnt. Das,
was in alter zeit die unmittelbare gewalt gewesen war, das wird heute
mit dem rechtsinstitut: arbeitsvertrag, bewerkstelligt, zu dem der
bürger auf dem markt der arbeit genötigt ist. In seiner struktur ist
der markt, auf dem die arbeitskraft der menschen wie ein beliebiger
konsumartikel gehandelt wird, nicht von dem handelsplatz zu
unterscheiden, auf dem die sklaven verkauft und gekauft wurden. Das
wäre anders, wenn die bedingungen des tauschens der güter, für alle,
die es betrifft, gleich wären - davon kann, wenn über die märkte der
moderne gestritten wird, keine rede sein, pars pro toto, die
sogenannten finanzmärkte, auf dem der 1000€ starke, den 100€ schwachen
einfach einsackt.
(d)<==//
(e)
in den dokumenten der historia ist die
verknüpfung von arbeit und freiheit seit der antike belegt(01). Es war
Hegel, der den begriff: freiheit, mit dem begriff: gott, verknüpft hat
und sagte: "es ist damit die Freiheit des Bewußtseins in Gott gesetzt,
der Mensch ist darin bei sich selbst. (...) sein Bewußtsein ist in Gott
frei"(02). Karl Marx hatte in seiner kritik am Hegel'schen idealismus
den bezug zu gott gestrichen und definiert die arbeit als einen "Prozeß
zwischen Mensch und Natur, ein Prozeß, worin der Mensch seinen
Stoffwechsel mit der Natur durch seine eigene Tat vermittelt, regelt
und kontrolliert"(03). Ich sage, das die autonomie des individuums als
ich die bedingung ist, die mit der lebenstätigkeit des menschen in den
phänomenen der arbeit manifest wird. Frei ist diese lebenstätigkeit als
arbeit in der perspektive des individuums als ich, aber, in der
perspektive auf den genossen, erweitert: die gesellschaft, erscheint
die freiheit des einen als die verneinung der freiheit des je anderen.
Das ist der horizont, den Karl Marx mit dem terminus: entfremdung der
arbeit, bezeichnet(04). Real ist die entfremdete arbeit und, in den
phänomenen entfremdeter arbeit ist der satz: arbeit macht frei, der
sirenenklang ausstehender humanität.
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(01) Wikipedia, stichwort: Arbeit(Philosophie),download: 11.07.2023.
(02) Hegel,G.W.F.: Vorlesungen über die Philosophie der Religion, in: Werke in zwanzig Bänden. 1969. Bd.17,p.45.
(03) Marx,Karl: Das Kapital, 5.kapitel(anfang). (Ausgabe: H.-J.Lieber, Darmstadt: 1962, Bd.IV,p.177)
(04)
Karl Marx: Ökonomisch-philosophische Manuskripte(=Pariser Manuskripte,1844) (Ausgabe: H.J.Lieber, Bd.1, p.559-575).
(e)<==//
(f)
der begriff: die freiheit, das
schiboleth der bürgerlichen philosophen, ist eine fata morgana. "Die"
freiheit gibt es nicht, aber es gibt die freiheit in den formen der
bürgerlichen freiheiten. In seiner autonomie ist das individuum als ich
absolut frei, aber, wenn das individuum als ich sich in seinem forum
internum entschieden hat, dann ist diese entscheidung für das
individuum als ich, in der entscheidung sich selbst bindend, eine
gebundene(=begrenzte) freiheit, die auf dem forum publicum in den
phänomenen der bürgerlichen freiheiten(immer im plural) dem genossen
und dem individuum als ich präsent ist. In den formen des rechts ist
das maass der bürgerlichen freiheiten festgelegt. D'accord, die
rechtswirklichkeit bietet weltweit keinen grund für die behauptung, der
bürger könne sich frei fühlen.
(f)<==//
(g)
eigentum an einem ding der welt kann
das individuum als ich, sein genosse eingeschlossen, nur durch arbeit
erlangen. Davon ist strikt zu unterscheiden der besitz eines
weltdinges, sei der besitz faktisch begründet oder rechtlich(01). Dem
arbeitenden menschen wird sein eigentum streitig gemacht in den formen
des privateigentums, dessen besitz entweder rechtlich begründet ist
oder faktisch realisiert wird, unmittelbar wurzelnd in der gewalt,
mittelbar im recht.
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(01)
Richter,Ulrich: Die begriffe: eigentum
und besitz, im trialektischen modus. Reflexionen im anschluss an Hegel
über das eigentum des individuums als ich und die phänomene des
besitzes in der (sogenannten) moderne. Text und subtext. (2010/2010).
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//==>
016:eigentum.
(g)<==//
(h)
die verknüpfung: freiheit/unfreiheit,
ist unter den phänomenen der unfreiheit und den phänomenen der freiheit
auf einer skala mit den endpunkten: -1 und +1, lückenlos darstellbar,
auf der skala eingeschlossen der punkt: 0, als transitorischen
wendepunkt, entweder in richtung: freiheit, oder in richtung:
unfreiheit.
(h)<==//