zitat des monats
ausgabe: zdm/(47)01/24 / januar/2024

Text

"Anstatt die Preise beim Essen zu erhöhen, braucht es eine Senkung der Steuer auf Grundnahrungsmittel".
                                                                        (Markus Söder, Ministerpräsident des Freistaats Bayern
                                                                         zitiert in: Westfälische Nachrichten. 18.11.2023,p.1(a))

Kommentar.

I
    Zitate entwickeln ein eigenleben, vor allem dann, wenn sie aus dem kontext herausgenommen einfach als ein faktum gesetzt werden. Das ist der fall, wenn das zitat einfach separiert in einer eigenständigen rubrik eines mediums präsentiert wird.

    Das zitat habe Ich nicht überprüft und Ich vertraue darauf, dass der redakteur der Westfälischen Nachrichten für sich die quellenkontrolle vorgenommen hat und Ich vertraue darauf, dass er korrekt seiner kontrollpflicht nachgekommen ist.

    Es gibt noch einen anderen grund, warum Ich darauf setze, dass das zitat dem Markus Söder zugeordnet werden kann. Gemäss der erfahrung, dass eine geschichte zwar nicht wahr ist, so aber doch gut erfunden, hat das zitat ein eigenleben, das unabhängig von seinem urheber für sich steht. Es beschreibt einen bestimmten sachverhalt, der mit der analyse eine synthetisierende reflexion evoziert. In dieser perspektive nutze Ich das zitat.

II
    Das zitat beschreibt präzis die logik des populisten, der die halbe wahrheit in dem einen kontext als halbe wahrheit in einen anderen kontext verschiebt, so die illusion schaffend, dass die gesagten teilwahrheiten die ganze wahrheit seien. Das zitat vermengt zwei bereiche der öffentlichen erfahrung, die zwar eine gemeinsame schnittmenge haben, deren teilmengen aber differenten bereichen zugeordnet sind. Der eine bereich ist die besteuerung der dienstleistung eines restaurants, der andere bereich ist die allgemeine besteuerung eines lebensmittels als handelsobjekt. Es gilt allgemein als gesichert, dass die besteuerung dieser produkte die grundlage jeder staatorganisation ist, die offene streitfrage ist die höhe der besteuerung, die politisch entschieden wird.

    Der hintergrund des zitats ist einerseits, dass im horizont der corona-pandemie aus ökonomischen gründen der steuersatz auf die leistungen des restaurants für einen definierten zeitraum um 12% auf dem satz von 7% vermindert wurde, dem steuersatz, der für lebensmittel allgemein gültig ist. Die frist der aussetzung endet am 31.12.2023, sodass ab 1.1.2024 der reguläre steuersatz von 19% wieder erhoben wird. In diesem kontext kann weder von einer steuersenkung gesprochen werden, noch von einer steuererhöhung, gleichwohl dies so erscheint - also es ist nur ein teil der wahrheit.

    Der hintergrund des zitats ist andererseits die allgemeine diskussion um die besteuerung der lebensmittel, vor allem des grundbedarfs, den jeder bürger hat. Die geltende regelung von 7%/19% auf lebensmittel halte Ich für absurd und beurteile sie als ein typisches verwaltungsmonster, das einerseits in der erhebung der differenten besteuerung riesige kosten verursacht, die bei einer generell gleichen besteuerung entfallen, und, das die differenzierende regel andererseits zu einem idealen schlupfloch für steuermanipulationen macht, das von denjenigen schamlos ausgenutzt wird, die ihre steuerschuld "gestalten" können. Vernünftiger wäre es, für alle handelsgüter einen einheitlichen steuersatz zu erheben und die differenz von erhobener steuer, derzeit 19%, für den unabweisbaren grundbedarf bei diesen gütern (=steuerliches existenzminimum) jedem bürger zurückzuüberweisen oder zu verrechnen(b). Insofern ist die forderung im zitat nur eine halbe wahrheit.     

    Das hantieren mit halben wahrheiten in differenten problembereichen ist das werkzeug in der hand jedes populisten, der seiner angepeilten kundschaft nach dem maul redet(c). Im vorliegenden fall wird dem armen einerseits steuerfreiheit verheissen, andererseits dem reichen die reale steuerminderung zugesichert, beträge, die sich einerseits im mehrstelligen Eurobereich bewegen und andererseits eine kümmerliche entlastung im unteren zweistelligen bereich darstellen. Der bezieher von bürgergeld hat für einen restaurantbesuch die mittel nicht verfügbar, der wohlhabende aber, der im Zweisternerestaurant locker 500€ für ein dinner hinlegen kann, spart so locker 60€ - das ist mehr als der monatliche tagessatz eines HartzIV-beziehers(d).

    Söder redet als populist, dem das allgemeinwohl nur eine phrase al gusto ist.
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(a)
für das tägliche zitat haben die Westfälischen Nachrichten eine ständige rubrik auf der ersten seite des allgmeinen teils der zeitung eingerichtet, ebenso für den lokalteil. Dem zitat ist keine quellenangabe beigefügt.   (a)<==//  
(b)
das modell des steuerfreien grundbedarfs an lebensmitteln erfordert eine grundlegende reform des geltenden steuerrechts, die dringend geboten ist, weil die detailregelungen in vielen fallgestaltungen nicht mit dem gleichheitsgebots vor dem gesetz (Art.3 GG) vereinbar sind. Es ist hier nicht der ort, einzelheiten zu erörtern, aber es gibt hinreichende modelle, wie der grundbedarf eines durchschnittlichen bürgers berechnet werden kann - bei HartzIV gibt es ein solches modell, das in seiner gegenwärtigen ausgestaltung mit dem gleichheitsgrundsatz der verfassung schwerlich zu vereinbaren ist. Der maasstab für die berechnung des grundbedarfs verletzt eklatant das gleichheitsgebot. Die berechnung dieses bedarfs ist nicht am statistischen mittel der gesellschaft ausgerichtet, sondern am erzwungenen kaufverhalten eines bürgers unterhalb der armutsgrenze, ein konsumverhalten, das für diese sozialgruppe als "typisch" angesehen wird. Der politisch gewählte maasstab, seit jahrzehnten im gebrauch, ist nicht verfassungskonform.   (b)<==// 
(c)
dem ondit nach wird Martin Luther die maxime zugeschrieben: dem volk aufs maul schauen. Er hat hingeschaut, wie das volk über seine dinge redet und mit der bibelübersetzung hat Luther das fundament für die moderne deutsche sprache gelegt.   (c)<==// 
(d)
alles nur eine frage des rechenstiftes. Der grundbetrag eines bürgergeldempfängers ist bis zum 31.12.2023 auf den betrag: 501 euro, gesetzlich festgelegt, dieser betrag, diviert durch 30 tage, macht pro tag gerade mal 16,70€, die der empfänger von bürgergeld für die begleichung seines lebensbedarfs zur verfügung hat.   (d)<==//  
finis

eingestellt: 24.01.01.

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